Schwefel im Biowein - Wissenswertes und Nachdenkliches
Schwefel und Wein
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Inhalt:
Sulfite und Gesundheit
Ist Schwefel im Wein ungesund?
Symptome Schwefelallergie/ Symptome Schwefelunverträglichkeit
Kopfschmerzen durch Schwefel im Wein?
Schwefel im Biowein
Auch Biowein enthält Sulfite. Ein Widerspruch?
Gibt es Wein ohne Schwefelzusatz?
Warum ist Schwefel (Sulfit) im Wein?
Wie gelangt Schwefel in den Wein?
Schwefelung im Weinberg
Schwefeln im Maischestadium
Schwefeln zum Beenden der Gärung
Schwefeln nach der Gärung
Schwefeln vor der Abfüllung
Unterschied in der Schwefelung zwischen Handelsmarke und Winzerabfüllung
Wie funktioniert Weinherstellung ohne zugesetzten Schwefel? Reicht das pure Weglassen?
Gesundes Lesegut
Filtrieren/Klären
Tannine
Gesundheitlich bedenklicher Wein durch das Weglassen von Schwefel?
Unterschiede in der Sensorik zwischen geschwefeltem und ungeschwefeltem Wein
Hinweise für die Handhabung von ungeschwefelten Weinen
Fazit
Einleitung
Seit 2005 besteht die Pflicht, Schwefel im Wein auf dem Etikett zu deklarieren, wenn der Wein über 10 mg/l SO2 enthält. Auf der Flasche findet sich seit dem der Hinweis "Enthält Sulfite". Dies gilt sowohl für konventionell als auch für biologisch erzeugte Weine.Diese Kennzeichnung sorgt seitdem gelegentlich für Unsicherheit bei Weintrinkern. Fragen die oft gestellt werden, sind z.B.:
Ist Schwefel im Wein ungesund?
Bewirkt der Schwefel im Wein Kopfschmerzen?
Warum wird Wein überhaupt geschwefelt?
Warum wird auch Biowein geschwefelt?
Kann man den Schwefel nicht einfach weglassen?
Gibt es auch ungeschwefelte bzw. schwefelfreie Weine?
Wie wird ungeschwefelter Wein hergestellt und was macht ihn besonders?
Welche Qualitätsunterschiede gibt es bei ungeschwefelten Weinen?
Schmeckt Wein ohne Schwefelzusatz anders und muss ich ihn anders handhaben?
Auch über diese Fragen hinaus habe ich mich bemüht, Ihnen einen Gesamtüberblick zum Thema Schwefel im Wein zusammenzustellen.
Sulfite und Gesundheit
Ist Schwefel im Wein ungesund?
Pauschal kann diese Frage zunächst einmal mit nein beantwortet werden. Bei der Verdauung von Nahrungsmitteln entstehen im Körper weitaus größere Mengen an SO2, z.B. beim Abbau von Proteinen, als mit Wein aufgenommen werden könnten. Insofern kann nicht pauschal von einer gesundheitlichen Gefahr durch die Aufnahme von Schwefel mit dem Wein ausgegangen werden. Auch bei einer Vielzahl von industriellen Fertigprodukten (Kartoffelpüree, Fruchtsaft,Trockenfrüchte…) wird Schwefel als Konservierungsmittel eingesetzt. Somit nimmt ein großer Teil der Bevölkerung nicht unerhebliche Mengen Schwefel bereits mit der Nahrung auf, weshalb das Glas Wein am Abend womöglich nicht alleiniger Auslöser von Unverträglichkeiten ist.
Allerdings gibt es Menschen, die eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Schwefel bzw. gegenüber SO2 haben und teils heftig auf geschwefelte Weine reagieren. Die Ursache für diese Reaktion ist meines Wissens nach noch nicht aufgeklärt, aber ein eindeutiger Bezug zum Schwefel kann gezogen werden. Für diese Personengruppe kann also doch festgehalten werden, dass Schwefel im Wein ungesund ist.
Für alle andere Weinfreunde gilt wohl eher die Feststellung, dass der im Wein enthaltene Alkohol ganz sicher das stärkere "Gift" ist, der bei übermäßigem Konsum schädliche Wirkung entfaltet.
Symptome Schwefelallergie/ Symptome Schwefelunverträglichkeit
Schwefelempfindliche Menschen klagen über eines oder mehrere der folgenden (leider sehr unspezifischen) Symptome nach Weingenuss:
Atembeschwerden
Kopfschmerzen
Übelkeit
Völlegefühl
Durchfall
Juckreiz
Herzrasen
Kopfschmerzen durch Schwefel im Wein?
Bei dieser Frage gilt zunächst wieder das zuvor gesagte. Bei Weintrinkern ohne erhöhte Schwefel-Empfindlichkeit ist es nicht der Schwefel, der für gelegentlich auftretende Kopfschmerzen verantwortlich ist. Diese können einerseits aus überhöhtem Alkoholkonsum entstehen.
Vielfach soll aber eine anderer Stoffgruppe im Wein, die so genannten Histamine, für Kopfschmerzen verantwortlich sein.
Bei Weinliebhabern mit erhöhter Schwefelempfindlichkeit, kann der Genuss geschwefelter Weine Kopfschmerzen hervorrufen. Hier besteht nur die Alternative ungeschwefelte Bioweine zu trinken, wenn nicht ganz auf den Weingenuss verzichtet werden soll.
Schwefel im Biowein
Auch Biowein enthält Sulfite. Ein Widerspruch?
Schwefel als konservierendes Mittel wird in der Nahrungsmittelwirtschaft bereits seit vielen Jahrhunderten eingesetzt. Es handelt sich nicht um einen chemisch-synthetischen hergestellten, sondern um einen natürlichen Wirkstoff, der nach der EU-Bio-Verordnung unter Einhaltung von Höchstwerten in der Landwirtschaft oder bei der Veredelung von Lebensmitteln angewendet werden darf.
Über die Schwefelung von Biowein ist in den letzten Jahren in der europäischen Union ein heftiger Streit ausgefochten worden. Dieser Streit hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Verabschiedung von verbindlichen Verarbeitungs- bzw. Keller-Richtlinien für die Bioweinerzeugung sich sehr lange verzögert haben und diese erst im Jahr 2012 verabschiedet werden konnten.
In Mitteleuropa bestand die Befürchtung, dass bei zu geringen Schwefel-Grenzwerten für Biowein (siehe Punkt „Kontrollen und Richtlinien“) das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, da eine flächenhafte Biowein-Produktion ohne Schwefelzugabe in diesen Klimaten nicht möglich ist. Letztlich würden bei zu geringen Schwefel-Grenzwerten vielfach Weine entstehen, die geschmacklich nicht den Erwartungen der Verbraucher entsprechen. In letzter Konsequenz hätte dies zu einem starken Rückgang des Bioweinanbaus in Mitteleuropa geführt.
Gibt es Wein ohne Schwefelzusatz?
Ja, den gibt es. Dieser Wein wird von ausgesprochenen Spezialisten erzeugt. Teilweise mit sehr hohem Aufwand bei der Traubenlese um wirklich jede faule Traube auszulesen. Weitere Hintergründe über die Besonderheiten der Weinherstellung ohne Schwefel habe ich Ihnen auf den nächsten Seiten zusammengestellt.
Eine feine Auswahl ungeschwefelter Weine finden Sie hier in meinem Weinladen.
Warum ist Schwefel (Sulfit) im Wein?
Es gibt keinen Wein ganz ohne Schwefel. Schwefeldioxid ist auch im ungeschwefelten Wein ein Nebenprodukt des Gärprozesses und wird durch die Hefen bei der Vergärung des Traubenmostes erzeugt. Allerdings in sehr geringen Mengen (zwischen nahe 0 und bis ~20 mg/Liter). Deshalb darf ein Wein nicht "schwefelfrei" heißen und so beworben werben, sondern nur als "ungeschwefelt", also ohne zugesetzten Schwefel hergestellt.
Zugesetzter Schwefel, bzw. Schwefeldioxid (SO2) fungiert im Wein als Konservierungsmittel. Durch die Zugabe von Schwefel wird die Oxidation des Weines unterbunden. Schwefeldioxid reagiert so bereitwillig mit Sauerstoff, dass jede andere Oxidation, also die Reaktion von anderen Inhaltsstoffen im Wein oder Most mit Sauerstoff unterbunden wird. Dadurch wird der Wein besser lagerfähig und behält nach dem Öffnen länger seine Charakteristik
Zudem wirkt Schwefel antimikrobiell und enzymhemmend. Er unterbindet die Entwicklung unerwünschter Bakterien- und Hefestämme und verhindert dadurch Fehlgärungen, die den Weingeschmack und die Weinqualität beeinträchtigen.
Die konservierende Wirkung von Schwefel wurde bereits im Altertum erkannt und z.B. im alten Griechenland oder zur Zeit der Römer bei der Weinherstellung angewendet. Allerdings nicht wie immer angenommen zur Schwefelung des Weines an sich (wie heute praktiziert), sondern um die Weinfässer vor Schimmel zu schützen. Dazu wurden Schwefelplättchen im Fass angezündet, der Rauch hatte die entsprechende antimikrobielle Wirkung.
Wie gelangt Schwefel in den Wein?
Schwefel kann zu verschiedenen Zeitpunkten im Laufe der Weinerzeugung eingesetzt werden. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten, die Schwefelzugabe zu reduzieren.
Schwefel im Weinberg
Der Einsatz von Schwefel im Weinberg verfolgt ein anderes Ziel als der Schwefeleinsatz im Weinkeller. Durch das Versprühen von Netzschwefel (elementarer Schwefel, fein gemahlen mit Zugabe eines Netzmittels) wird in erster Linie der echte Mehltau, eine wichtige Pilzkrankheit der Weinrebe bekämpft. Da diese Schwefelanwendung fast nichts mit dem SO2-Gehalt des Weines zu tun hat, wird dieses Thema an dieser Stelle nicht weiter behandelt.
Schwefeln im Maischestadium
Die Schwefelzugabe im Maischestadium (Maische = Masse aus zerquetschte Beeren incl. Beerenschalen und Traubenkernen) verfolgt das Ziel, Fehlgärungen zu verhindern bzw. Enzyme zu hemmen, die die Qualität des Weines nachteilig beeinflussen können.
Die Schwefelzugabe kann um so geringer ausfallen, je schneller und sauberer gearbeitet wird. Eine sehr strenge Auslese fauler Trauben sorgt dafür, dass die Gärung sauber abläuft und nicht steuernd eingegriffen werden muss. Durch die zügige Verarbeitung der Trauben nach der Lese werden Fehlgärungen und unerwünschte Abbauprozesse auf ein Minimum reduziert. Dies hilft, Schwefel zu sparen.
Anzumerken ist hier aber, dass unter mitteleuropäischen Bedingungen die Reduzierung oder gar der Verzicht auf den Schwefeleinsatz sehr viel schwieriger ist, als etwa unter mediterranen Bedingungen. Das liegt an der weniger stabilen mitteleuropäischen Witterung in der Weinlesezeit, die dazu führen kann, dass der Anteil fauler Trauben steigt und so der Schwefelbedarf erhöht ist.
Schwefeln zum Beenden der Gärung
Es ist möglich, den Wein so lange gären zu lassen, bis nahezu aller Fruchtzucker zu Alkohol umgewandelt wurde und die Gärung von selbst aufhört. Dabei entsteht im Idealfall ein fast vollständig trockener Wein. Ähnliches passiert, wenn der Alkoholgehalt so hoch steigt, dass die Reinzuchthefen absterben. Das kann je nach Hefe schon ab ca. 13% geschehen und beendet die Gärung ebenfalls. Wenn der Fruchtzuckergehalt noch nicht ganz umgewandelt wurde, habe ich bei einer Spätlese mit 13% Alkohol ggf. noch einiges an Restsüße.
Jetzt aber zum Schwefel: Mit einer Schwefelgabe kann der Winzer den gesamten Gärprozess abbrechen. Das passiert z.B. bei lieblichem oder halbtrockenem Wein. Erlangt der Wein während der Gärung einen gewünschten Alkoholgehalt (z.B. 9%) bei entsprechende Restsüße, kommt Schwefel hinzu und der Wein behält diese Konstellation. Allerdings birgt der noch vorhandene Restzucker das Risiko einer zweiten Gärung, weshalb Weine mit Restsüße stärker mit Schwefel stabilisiert werden müssen.
Die Gärung kann auch über das Absenken der Temperatur des Mostes beendet werden, ist bei großen Gebinden allerdings entsprechend aufwändig.
Schwefeln nach der Gärung
Die Zugabe von Schwefel nach der Gärung hat das Ziel Substanzen zu neutralisieren, die sich geschmacklich sehr unschön bemerkbar machen, wie z.B. Acetaldehyd. Dieses kann bei Luftkontakt aus Alkohol und O2 entstehen.
Auch hier gilt: Schnelle und saubere Arbeit hilft, um weniger Probleme zu schaffen, die nachher durch mehr Schwefel behoben werden müssten.
Schwefeln vor der Abfüllung
Die Zugabe von Schwefel vor bzw. bei der Abfüllung des Weines in die Flasche verfolgt das Ziel, den Wein zu konservieren. Einerseits geht es um die Lagerfähigkeit des Weines und andererseits um die Stabilisierung des Weines nachdem er geöffnet wurde. Diese Schwefelzugabe ist auf den meisten Bio-Betrieben die einzige, die konsequent durchgeführt wird. Es wird versucht, eine nicht zu hohe Menge „freien“ Schwefels im Wein zu belassen, der ungebunden bereit steht, um über Reaktionen mit unerwünschten Bindungspartner wie Sauerstoff (im Flaschenhals) einzugehen.
Höchstwerte, Richtlinien und Kontrollen deutscher Weine
Die Zugabe von SO2 unterliegt gesetzlichen Höchstwerten, die im abgefüllten Wein eingehalten werden müssen. Sie werden neben anderen Punkten bei der amtlichen Qualitätsweinprüfung jedes Weines und Jahrgangs durch die Landwirtschaftskammern der Bundesländer kontrolliert.
Die gesetzlichen Grenzwerte für den SO2-Gesamt-Gehalt in konventionellen Weinen sind derzeit folgendermaßen festgelegt:
150 mg/L SO2 - in trockenen Rotweinen
200 mg/L SO2 - in Rotweinen >5 g/L Restzucker
200 mg/L SO2 - in anderen Weinen
250 mg/L SO2 - in anderen Weinen >5 g/L Restzucker
300 mg/L SO2 - in Spätlesen
350 mg/L SO2 - in Auslesen
400 mg/L SO2 - in Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen
Für Bioweine gelten seit der Ernte 2012 EU-weit folgende reduzierte Höchstwerte Gesamtschwefel:
100 mg/L SO2 - in Bio-Rotweinen
120 mg/L SO2 - in Bio-Rotweinen >2 g/L Restzucker
150 mg/L SO2 - in Bio-Rotweinen >5 g/L Restzucker
150 mg/L SO2 - in Bio-Weiß- und Bio-Roséweinen
170 mg/L SO2 - in Bio-Weiß- und Bio-Roséweinen >2 g/L Restzucker
220 mg/L SO2 - in Bio-Weiß- und Bio-Roséweinen >5 g/L Restzucker
Bei allen anderen Bio-Weinen sind die SO2-Grenzwerte um 30 mg/L gegenüber den allgemeinen gesetzlichen Vorgaben abgesenkt.
Unterschied freier/gebundener Schwefel
Schwefel ist nicht gleich Schwefel. Die Höchstwerte beziehen sich auf die gesamte schweflige Säure, die im Wein vorkommen kann. Schwefeldioxid (SO2) geht mit Wasser und Inhaltsstoffen wie z.B.Acetaldehyd Verbindungen ein und liegt dann nach getaner Arbeit in gebundener Form vor. Dieser gebundene Schwefel ist weder riech- noch schmeckbar und soll gesundheitlich nicht ins Gewicht fallen.
Ist mehr Schwefel im Wein, als gebunden werden kann, liegt dieser als freie schweflige Säure vor. Diese wird bewusst als „Reserve“ zum Schutz eingesetzt, um eventuelle Fehlgärungen auszuschließen. Allerdings ist es diese freie schweflige Säure, die zu den bekannten Schwefelunverträglichkeiten führen soll. Ihre niedrige Dosierung benötigt viel Fachwissen, Erfahrung und Fingerspitzengefühl des Winzers.
Unterschied in der Schwefelung zwischen Handelsmarke und Winzerabfüllung
Ein Winzer kennt seinen Weinberg mit dessen Mikroklima und Witterung, kann die Schwere von Schädlingsbefall und Pilzdruck (Mehltau, Botritis) genau bewerten, bestimmt den Erntezeitpunkt und kontrolliert das Lesegut. Aus diesen und weiteren Faktoren ergibt sich bei einem sorgfältig arbeitenden Winzer die Höhe der Schwefelzugabe (letztendlich die verbleibende Höhe des freien Schwefels, der „Reserve“), die jährlich variieren kann. Sie erkennen eine Winzerabfüllung auf dem Weinettikett an der Angabe des Weingutes und dem Hinweis „Erzeugerabfüllung“ (F: Mis en bouteille u domaine..., S: Embotellado por..., I: Imbottigliato all'origine...).
In den klassischen Supermärkten und Discountern werden zum überwiegenden Teil (meist zu über 80%) Handelsmarkenabfüllungen verkauft. Bestenfalls sind das Weine einer bestimmten Region, zum Teil auch einer Rebsorte, die durch einem Abfüller/Weinvertrieb von verschiedenen Winzern aufgekauft werden. Hier werden Tanklastzüge fertiger Weine miteinander vermählt und abgefüllt.
Die großen Mengen sorgen für gute Preise, es muss dabei kein schlechter Wein entstehen. Da verschiedene Qualitäten fertig geschwefelter Weine diverser Winzer aufeinandertreffen, wird hierbei oft sicherheitshalber zur Stabilisierung des Weines zusätzlich bis zur erlaubten Höchstmenge geschwefelt. Sie erkennen Handelsmarken auf der Flasche an den Hinweisen „Abgefüllt für...“ oder „Abgefüllt von Max Mustermann Weinvertrieb xy..., ggf. fällt die Bezeichnung „Weinhaus“ statt „Weingut“)
Wein ohne Schwefel
Wie funktioniert Weinherstellung ohne zugesetzten Schwefel? Reicht das pure Weglassen?
Tatsächlich ist das Herstellen eines Weines ohne zugesetzten Schwefel nicht ohne Weiteres möglich.
Da der Schwefel konserviert, also bei der Weinherstellung Fehlgärungen verhindern und eine positive Reifeentwicklung gewährleisten soll, müssen einige Punkte beachtet werden.
Gesundes Lesegut
Ausgangsbasis ist gesundes Lesegut ohne faule Trauben. Dazu muss möglichst mit der Hand geerntet, kontrolliert und ggf. aussortiert werden. Bei vielen größeren Weingütern werden Traubenvollernter (Traktoren) eingesetzt, eine Handlese bedeutet dort zusätzlichen Aufwand.
Filtrieren/Klären
Befreit man den Wein von allen kleinen Trubstoffen, wird die Wahrscheinlichkeit herabgesetzt, eine Fehlgärung zu erzeugen. Außerdem kann ich nun einen leichteren Wein mit weniger Gerbstoffen herstellen. Hierzu wird der Wein sehr oft gepumpt und filtriert. Dies setzt moderne Kellertechnik voraus, welche sehr steril anmutet und oft einer Molkerei ähnlicher ist als einem Weinkeller. Zusätzlich können durch den Wein Hilfsstoffe geleitet werden, die Trübstoffe an sich binden und für noch mehr Klarheit sorgen.
Wein Enthusiasten wünschen sich möglichst naturbelassene Weine und landen deshalb spätestens in letzter Instanz beim Biowein. Für einige Weinfreunde ist allein das mechanische Umpumpen in andere Tanks schwierig zu ertragen. Es gibt Weinkeller, die auf verschiedene Etagen gebaut wurden, so dass der Wein allein durch Schwerkraft vom Pressen über die Gärtanks in Fässer und Flaschen gelangt und jedes Verwirbeln und aus der Ruhe bringen vermieden wird.
Dem Wein durch Filtern und Klären wichtige Aroma- und Inhaltsstoffe entziehen, „totfiltrieren“? Undenkbar für manche Weinliebhaber. Dem Filtern steht Zeit und Schwerkraft entgegen, etliche Trubstoffe setzen sich im Laufe der Zeit am Tankboden ab.
Tannine
Die Natur bringt bei den meisten Rebsorten Tannine (Gerbstoffe) mit, die sich nach längerem Kontakt des Traubensaftes mit den Traubenhäuten und -kernen aus denselben herauslösen. Sie besitzen ebenfalls konservierende Eigenschaften. Tannine sind im Reifeprozess vieler Rotweine wichtig. Fehlen sie, fehlt dem Wein das Rückrat, um die Lebenszeit bis zur Entwicklung von Reifearomen durchzustehen. Sie bescheren dem Wein Fülle und Länge und schaffen Substanz, um dem Wein neben Fleisch und kräftigen Speisen beizustehen, helfen sogar bei der Verdauung. Sie erkennen Tannine am mundauskleidenden, adstringierenden (leicht pelzigen) Gefühl auf Zunge und Mundschleimhäuten. Bei jungen, schweren Rotweinen sind die Tannine noch spröde und schlecht eingebunden, treten also besonders pelzig auf.
Jungen, leichten, primär fruchtigen Weinen stehen Tannine nicht sonderlich, sie stören eher und sind dort nur in geringem Maße erwünscht. Besonders bei Weißweinen sind Gerbstoffe im vertrauten Geschmacksbild wenig bis gar nicht vertreten. Hintergrund ist, dass beim Weißwein in der Regel nur der Most, also der Saft der Trauben vergoren wird und keine Maischegärung (incl. Traubenhäuten, Kernen...)wie beim Rotwein stattfindet. Deshalb gibt es derzeit noch wenige ungeschwefelte Weißweine auf dem Markt. Und wenn es welche gibt, sind sie geschmacklich oft anders als gewohnt, es fehlt die Spritzigkeit eines Weißweines, der im Gegensatz zum Rotwein mit geringem Kontakt zu den Beerenhäuten hergestellt wird. Stelle ich einen Weißwein mit langer Maischestandzeit her, bekomme ich auch Gerbstoffe in den Weißwein, damit aber zusätzlich eine dunklere Farbe, andere Aromen, die Säure tritt in den Hintergrund. Geschmacklich erinnern solche Weine eher an Rosé- oder leichte Rotweine.
Tannine benötigen Zeit und Fingerspitzengefühl. Die Steuerung der Weinreife beim Winzer oder Kellermeister setzt viel Erfahrung voraus.
Zeit und Liebe
Der Vorteil moderner Kellertechnik ist das schnelle und hygienische Arbeiten bei minimalstem Kontakt des Weines mit Sauerstoff. Zügige Gärung, Filtern, ggf. noch kurze Lagerung im Stahltank und dann ab in die Flasche.
Die andere Möglichkeit ist, den Wein nach der Gärung ohne Filtration abzuziehen und noch lange mit allen Trubstoffen „auf der Hefe“ im Fass (gerne auch im Holzfass) zu belassen, was den Wein ebenfalls stabilisiert und strukturiert. In Kombination mit vorher beschriebenen Gerbstoffen kommt hier ein lagerfähiger ungeschwefelter Wein zustande. Den Wein sich zum Teil über Jahre selbst zu überlassen erfordert Erfahrung, kostet Lagerkapazität und birgt Risiken der Fehleinschätzung des Reifeverlaufs bis hin zum Totalausfall. Man lehnt sich hier an fast vergessene Arten der Weinherstellung an.
Es gibt traditionelle Beispiele der Weinherstellung aus Georgien, wo Tonamphoren zur Temperaturstabilisierung in die Erde eingegraben und mit gemaischten, sehr reifen Trauben incl. Stielen gefüllt wurden. Die Gärung startete spontan, nach dem Ende der Gärung wurde kein Abzug gemacht, sondern alle nicht flüssigen Bestandteile im Wein belassen. Diese sinken zu Boden und sorgten für Haltbarkeit. Der später abgefüllte Wein hielt sich lange ohne jemals Schwefel gesehen zu haben. Sind diese Weine anders einzuordnen. Sie besitzen aber eine sehr große Aromenfülle
Gesundheitlich bedenklicher Wein durch das Weglassen von Schwefel?
„Ohne Schwefel“ klingt gesünder. Trotzdem muss der Wein eine gewisse Stabilität erlangen, um nicht durch mikrobielle Aktivitäten Stoffe zu bilden, die der Gesundheit wenig förderlicher sind als Schwefel. So sagt man Schwefel die Bindung von Polyphenolen nach, welche die Bildung von Eiweißverbindungen eindämmen. Histamine, welche oft mit Kopfschmerzen durch Wein in Verbindung gebracht werden, sind Eiweißverbindungen. So kann der Wein ohne Schwefelzusatz zwar vor Kopfschmerzen durch Schwefel schützen, begünstigt aber unter Umständen den Kopfschmerz durch Histamin.
Unterschiede in der Sensorik zwischen geschwefeltem und ungeschwefeltem Wein
Wer von klassisch geschwefeltem Wein auf Wein ohne Schwefelzusatz umsteigt, wird Unterschiede wahrnehmen. Diese Unterschiede haben selten mit mangelnder Qualität zu tun.
Schwefel im Wein erzeugt besonders bei Weißwein aber auch bei leichteren Rotweinen einen typischen Weinstil, an den sich Weinliebhaber im Laufe der Zeit gewöhnt haben. Hierbei geht es nicht um den (kaum wahrnehmbaren) Geschmack des Schwefels, sondern um dessen Wirkung bei der Weinherstellung.
So besitzen geschwefelte Weißweine je nach Sorte gern eine schlanke, leichte, mineralische, fruchtige-grüne Spritzigkeit, die sie oft auch nach 2-3 Jahren weiterer Flaschenreife nicht verlieren. Ungeschwefelter Weißwein kann ohne den oxidativen Schutz des Schwefels nur selten mit solcher Frische trumpfen. Das ist nicht schlimm, denn ohne Schwefel kommen ebenfalls vorzügliche Weine zustande. Der Stil eines Weißweins ist durch die meist längere Maischestandzeit etwas runder, fruchtbetonter, rassiger und durchaus komplex. Solche Weine erinnern geschmacklich an reife, getrocknete Früchte und besitzen nussige Anklänge.
Ich bin mir sicher, dass der allgemeine, durchschnittliche Weingenießer den fruchtig-runden ungeschwefelten Weinstil im Vergleich zum oben genannten schlank-mineralischen geschwefelten Stil sogar bevorzugen würde.
Beim leichteren, ungeschwefelten Rotwein unterer Preiskategorien fällt gelegentlich auf, dass die Balance aus Frucht, Gerbstoffen, Komplexität und Länge durcheinander gerät, der Duft etwas verhaltener aus dem Glas kommt und der Wein auch bereits nach wenigen Stunden ohne Korken instabil wird.
Dem gegenüber stehen komplexe, ungefilterte und ungeschönte Naturwein-Statements, die an Intensität und Facettenreichtum in der „klassischen“ geschwefelten Weinwelt ihresgleichen suchen.
Nicht untypisch und völlig ungefährlich ist bei Weiß- wie Rotwein ohne Schwefelzusatz ein leichtes moussieren, also ein ganz klein wenig Kohlensäure im Wein. Wenn Sie dass störend finden, lassen Sie den Wein im Glas einfach einige Minuten stehen und schwenken das Glas gelegentlich, dann entfernt sich die Kohlensäure schnell von selbst.
Was ungeschwefelte Weine einmalig macht, ist die Weine lebendig sind und lebendig bleiben. Sie dürfen sich weiterentwickeln und reifen im Naturweinbereich fantastisch weiter.
Das Mundgefühl der Weine ohne zugesetzten Schwefel ist anders und besonders im Rotweinbereich einmalig. Die Struktur ist mürber, voller, saftiger.
Qualitätsunterschiede bei Wein ohne Schwefelzusatz
Wie ist es möglich, nach den genannten Besonderheiten ungeschwefelte Weine für unter 10,-€ herzustellen? Was macht Weine ohne Schwefelzusatz für 30,-€ besonders? Auch wenn bei diesen Fragen der Unterschied zwischen Rot- und Weißwein gerade beim Preis eine wichtige Rolle spielt, soll in der folgenden Tabelle ein allgemeiner, zusammenfassender Überblick gegeben werden, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Wein unter 10,-€ |
Naturwein- Wein deutlich über 10€ |
|
Herstellung |
Schnelles Arbeiten unter Luftabschluss. Gärungsstart mit Reinzuchthefen. Massive Filtration. |
Spontanvergärung. Lange Maischestandzeit. Langes Hefelager. Oxidativer Ausbau im Holzfass, z.T. ungepumpt. |
Geschmack |
Primär fruchtig. Weißwein ggf. auch säurebetont. Rotwein meist mit wenigen Gerbstoffen. Leichte bis mittelschwere Weine. |
Allgemein gut ausbalanciert. Weißwein mit wenig Säure, dafür mit etwas Gerbstoff, rund und „breit“. Gut eingepasste, leicht oxidative Noten von z.B. Brotrinde. Langer Abgang mit Noten nach getrockneten Früchten. Rotwein voll und reif, viel Substanz, oft gerbstoffbetont. Vielfältige Fruchtaromen. |
Haltbarkeit |
Bedingt lagerfähig. 1-2 Jahre ab Jahrgang, angebrochene Flasche besser am selben Abend leeren |
Lange lagerfähig und stabil. Je nach Qualität bis zu 5 Jahren und länger Gewinnt meist noch an Geschmack. |
Bsp. Weingüter |
z.B. Stellar Organics, Pizzolato, Bodegas Latúe, Gustavshof |
z.B. Franz Strohmeier, Karl Schnabel, Mas Zenitude, Thorsten Melsheimer, Sepp Muster, Sepp Moser, |
Hinweise für die Handhabung von ungeschwefelten Weinen
Hochwertige ungeschwefelte Weine (über 10€) benötigen nach dem Öffnen einige Zeit und Luft. Dekantieren ist von Vorteil. Das ist nicht nur wegen des Luftkontaktes von Vorteil, sondern hilft, bei unfiltrierten Weinen, den Bodensatz der Flasche vom restlichen Wein zu trennen.
Genießen sie einfache ungeschwefelte Weine, besonders Weißweine, bevorzugt jung. Die Lagerfähigkeit ist deutlich herabgesetzt und nur bei einigen Ausnahmeweingütern und -qualitäten dem geschwefelten Wein gleichzusetzen (siehe hierzu obigen Punkt „Qualitätsunterschiede bei Wein ohne Schwefelzusatz“). Bestenfalls sollte eine geöffnete einfache Qualität noch am selben Tag ausgetrunken werden. Ist dies nicht möglich, empfehle ich, mit einem Vacu-Vin-Verschluss zu arbeiten. Hierbei wird die Luft durch ein Ventil im Verschluss aus der Flasche herausgepumpt, wodurch der oxidative Verfall verlangsamt wird und der Wein am nächsten oder übernächsten Tag noch ähnlich schmeckt wie gerade geöffnet.
Zur Lagerung allgemein: Wein bitte dunkel, auf jeden Fall ohne direkte Lichteinwirkung bei gleichbleibender (kühler) Temperatur und Luftfeuchte lagern. Kellerräume bieten sich an.
Fazit
Da es auf Seiten des Winzers keine Alternative zum Schwefel im Wein gibt, kann nur versucht werden, ihn besonders gewissenhaft einzusetzen oder unter Nutzung der oben geschilderten Maßnahmen und mit relativ großem Aufwand wegzulassen.
Den wenigsten Schwefel im Wein hat, wer:
zu Biowein greift
trocken trinkt
Rotwein bevorzugt
generell zu Winzerabfüllungen greift
Wein gänzlich ohne Schwefelzusatz kauft.
Hierbei spielt Erfahrung des gesamten Weingutes, viel Handarbeit bzw. moderne Kellertechnik eine wichtige Rolle, was sich letztendlich im Preis reflektiert. Schwefelfreier Wein zum Supermarktpreis kann unangenehme Überraschungen bereithalten.
Generell gilt: Nicht die Flasche ins Korn werfen! Falls ein Wein ohne Schwefelzusatz nicht Ihren persönlichen Geschmack getroffen haben sollte, verteufeln Sie nicht den ungeschwefelten Wein per se sondern versuchen Sie es weiter. Ich kann Sie nur dazu ermutigen. In meinem Programm befinden sich Weine ohne Schwefelzusatz unterschiedlichster Winzer, Couleur und Güte, ich berate sie gern! Hier geht's zur Übersicht schwefelfreier Weine click
Viel Vergnügen!
Ihr Olaf Nitzsche und das biowein-erlesen-team!